Rotbach Rälle

Der Wilde aus den Schmieden

Es war einmal ein böser Geist, der in Mittelbiberach sein Unwesen trieb. Man erzählt sich, daß er in einer der drei Schmieden (Bergschmied, Bachschmied, Schmied Dolderer) nahe dem Rotbach zu Hause war. Die Leute in Mittelbiberach gaben diesem Geist deshalb den Namen "ROTBACH-RÄLLE".

 

Nach Erzählungen war dieser Rälle eine große, wuchtigte, dunkle, haarige Gestalt mit einem bösen, angst einjagendem Gesicht, der nur bei Nacht sein Unwesen trieb. Seine Stirn leuchtete gelb-rot, wie das Essenfeuer der Schmieden und die weißen Augäpfel, wie die weißen Schneidezähne blitzten in der Dunkelheit.

 

Die Schmiede war für den Rälle das ideale zu Hause, denn zum einen war es in der Schmiede sehr dunkel, so daß ihn niemand entdeckten konnte, im Winter war es durch das Feuer in der Schmiede angenehm warm, zum anderen wußte er immer über die Sorgen und das Leid, welches die Dörfler Tag für Tag plagten, bescheid. Trotz seiner grauenhaften Gestalt war der RbR sehr hilfsbereit. Er konnte aber auch sehr boshaft werden, wenn bestimmte Leute den Bogen überspannten. Er wurde vor allem dann wütend, wenn Menschen anderen Mitmenschen Leid zufügten. So erzählt man sich folgendes:

 

Der RbR half dem Schmied bei der Arbeit, wenn es viel zu tun gab. Jedoch wurde er nicht gesehen. Nachts war nur ein Gepolter, ein Hämmern und ein Kettengeraschel zu hören. Am nächsten Tag war die Arbeit verrichtet und niemand wußte genau, wie dies geschehen war.

 

Es wurde auch von Zeit zu Zeit eine Gestalt beobachtet, welche den Bauern nachts das Rauchfleisch wegaß und den Most leer trank. Die bestohlenen Leute wurden durch das Gepolter und das Rascheln der Ketten aus dem Schlaf gerissen. Aber auch sie sahen nur eine mächtige Gestalt Richtung Rotbach, dem ehemaligen Mühlbach, fliehen.

 

Wie in jedem Dorf, gab es auch zu jener Zeit in Mittelbiberach arme und reiche Bauern. Da die Leute in dieser meist schweren Zeit nur von der Landwirtschaft und vom Handwerk lebten, war es nur selbstverständlich, daß man sich gegenseitig half, wenn z.B. die Ernte schlecht ausfiel. Nun gab es aber auch Bauern, die nur auf sich bedacht waren und vor lauter Gier die Menschlichkeit vergaßen. Man erzählt sich, daß der RbR genau diesen Leuten eine Lektion erteilte, in dem er mit einem Teil deren Ernte die Scheunen und Vorratskammern der ärmsten Bauern im Dorf auffüllte. Jedoch wurde der RbR nie ertappt, man erzählte sich nur, daß man eine große wuchtige dunkle Gestalt in Richtung Rotbach zu den Schmieden vorbei rennen sah und in der Dunkelheit verschwand.

 

Am nächsten Tag waren die Scheunen und Vorratskammern soweit gefüllt, daß jeder in dieser schweren Zeit etwas zu essen hatte. Die bestohlenen Bauern merkten natürlich sofort, daß ein Teil ihrer Ernte fehlte und waren zuerst sehr zornig. Sie waren der Meinung, daß nur der Rotbach-Rälle für dies Tat verantwortlich sein konnte, und waren ihm hinterher für diesen Denkzettel dankbar, denn auch sie merkten, daß der RbR den Menschen nur zeigen und daran erinnern wollte, daß es im Leben nicht auf Macht und Reichtum ankommt, sondern auf die Menschlichkeit und Barmherzigkeit, welche auch in der heutigen Zeit leider zu oft vergessen wird.

 

Nicht nur durch die große dunkle und haarige Gestalt, war der RbR von vielen Leuten gefürchtet, sondern auch, weil viele Leute ein schlechtes Gewissen hatten, das immer wieder zum Vorschein trat, wenn der RbR nachts durch die Gassen von Mittelbiberach schlich.

 

Jedoch waren die armen Leute im Dorf sehr angetan von dieser mächtigen aber doch lieben und treuen Gestalt, da diese versuchte, die Menschlichkeit in diesem Dorf nicht vergessen zu lassen.

 

Narrenruf:
Do kommed se, I siehs -
d´r Rälle ond Laura Lies